Leipzig in Gelb


„Kindertagespflege? Selbstverständlich!“ – zu unserer besonderen Aktion am 5. Mai 2021 gab es rege Beteiligung in ganz Sachsen. Der Journalist Sebastian Steger war in Leipzig unterwegs und wollte wissen, was die Tagesmütter und -väter in der Stadt so umtreibt – und warum ihnen der Tag so wichtig ist. Viel Spaß mit unserem Gastbeitrag!

 

Straßenkreide Sonne mit Kreide geschmückter Wagen

Der bunt geschmückte Kinderwagen der Kindertagespflege "Stadtbienen" und einige Straßenbilder machten auf den Aktionstag "Kindertagespflege Selbstverständlich" aufmerksam.
Fotos: Katrin Busse

Nähe und Geborgenheit machen die Kindertagespflege aus!
Katrin Busse


Ungewöhnlich kühl waren die letzten Frühlingswochen. Doch heute scheint die Sonne zwischen den Wolken hindurch, als hätte sie etwas Wichtiges zu sagen. „Das Wetter passt super“, freut sich Katrin Busse: Denn die Tagesmutter aus dem Leipziger Westen ist mit ihren fünf Schützlingen in besonderer Mission unterwegs. Heute ist der Aktionstag „ Kindertagespflege? Selbstverständlich!“, heute steht alles im Zeichen der Sonne und der Farbe Gelb.

„Die Sonne bedeutet für mich Wärme. So schöne Dinge wie Nähe und Geborgenheit machen unsere Betreuungsform aus“, sagt sie, während sie den Kinderwagen mit Schleifen und Sonnen schmückt. Ihre Kleinen sind schon ganz hibbelig – denn sie spüren, dass heute etwas anders ist. Sie können es kaum erwarten, endlich einzusteigen. Die gelernte Erzieherin hat selbst viele Jahre in der Kita gearbeitet. Heute genießt sie es, ihr eigener Chef zu sein – der frei werdende Platz im Herbst etwa ist ihre aktuelle Herausforderung. „Die Kitas werden aus dem Boden gestampft, da haben wir es nicht immer einfach“, resümiert sie. Eltern müssten oft von der tollen Qualität der Kindertagespflege überzeugt werden.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Sie ist individuell, entwicklungsgerecht und familiennah. Sie kommt ohne Personalwechsel oder Schichten aus. Es gibt nur eine Ansprechpartnerin und genügend Zeit für ausführliche Übergaben. Auch die Vertretungssysteme bei Krankheit seien in Leipzig hervorragend eingespielt.

„Kindertagespflege ist so selbstverständlich wie das Aufgehen der Sonne“, das könne man gewiss über die große Verlässlichkeit der Tagesmütter und -väter sagen. Selbst unter den schwierigen Pandemie-Bedingungen gibt es kaum Probleme: Eine vertrauensvolle und enge Kommunikation mit den Eltern kann schon viele Probleme lösen. Die Kindertagespflegepersonen sind wahrhaftig ein Fels in der Brandung. „Ja, der Job der Tagesmutter ist wirklich wichtig“, finden auch zwei ältere Damen, die Katrin Busse auf dem Gehweg ansprechen. „Es muss doch in diesen Zeiten irgendwie weiter gehen!“

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Anna Lena Kreft kleidet ihre Schützlinge in Gelb. Danach gibt es ein schönes Picknick.
Fotos: Sebastian Steger
 

Kindertagespflege ist so verlässlich und selbstverständlich wie das Aufgehen der Sonne!
Anna Lena Kreft


  Szenenwechsel: Auch im Osten der Stadt ist der Sonnenschein angekommen. Anna Lena Kreft zelebriert die Farbe Gelb mit ihren fünf Rackern – auf einem Spielplatz im Leipziger Stadtteil Rabet. Auch ein schönes Picknick für die Tageskinder ist heute inklusive.

„Wir wollen mit dem Aktionstag die Kindertagespflege ins Licht rücken“, sagt sie, während sich die Kleinen an Obst und Knabbereien bedienen. „Ich selbst habe die Kindertagespflege auch nicht auf dem Schirm gehabt, als ich vor einigen Jahren für meinen Sohn einen Kitaplatz suchte“, sagt die 29-Jährige. Doch dann habe sie schnell gemerkt, dass diese Betreuungsform viel mehr als nur ein Notnagel ist. Einige Zeit später dann reifte in der ausgebildeten Fotografin der Entschluss, selbst diesem Beruf – oder besser: dieser Berufung nachzugehen.

 „Wir wünschen uns mehr Wertschätzung und Dankbarkeit. Wir tragen eine Menge Verantwortung, denn wir sind mit fünf Kindern täglich auf uns allein gestellt. Daher gehen wir heute auffällig ins Freie und zeigen, dass wir da sind!“

Und das funktioniert! „Was ist denn heute los? Gibt es einen Dresscode?“, fragt ein Papa, der ebenfalls mit seinem Sohn auf dem Spielplatz unterwegs ist. Schwupps – und schon ist Anna Lena Kreft im Gespräch. „Die Kindertagespflege ist noch nicht allen Köpfen angekommen“, erklärt sie. Eine gute Mundpropaganda mache da viel aus. Im Herbst wird bei ihr ein Platz frei – doch dieser wurde auf diesem Wege schon längst vergeben. Andererseits: Gerade jetzt, da der Kita-Ausbau voranschreitet, sinke die Nachfrage spürbar. Hier sei es nun wichtig nachzusteuern. Trotzdem gebe es auch immer wieder Eltern, die sich ganz bewusst und mit Überzeugung für sie und für die Kindertagespflege entscheiden. „Das ist ein tolles Bekenntnis zu unserer Arbeit“, sagt Anna Lena Kreft.

Im Moment jedenfalls ist sie gut ausgelastet, und auch ihre fünf Kinder fühlen sich auffällig wohl: Sie wollen mir ihr rutschen, toben und kommen gerne zum Kuscheln. „Die Sonne ist ein gutes Symbol, denn es steht für das Strahlen der Kinder“, freut sie sich und zieht mit ihrem Wagen weiter. 

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Das Kuchen-Buffet ist eröffnet! Und dann das Highlight: Dutzende Luftballons fliegen mit Postkarten in die Ferne.
Fotos: Sebastian Steger

Tagesmütter sind einfach voller Energie!
Janet Krutzki


  Ein paar Stunden später, ein paar Straßen weiter: Im Stadtteil Schönefeld laden Janet Krutzki und Katja Rüdrich zum Mini-Gartenfest. Die beiden betreiben zwei Kindertagespflegestellen unter einem Dach – und haben auf ihrem Hof einiges zu bieten: Das große Piratenschiff wurde längst von gelben Piraten geentert, und auch das Kuchen-Buffet nehmen hungrige Eltern schon in Beschlag. „Normalerweise feiern wir immer einige große Feste pro Jahr. Dann kommen auch die Nachbarn, hier im Viertel sind wir bekannt“, erzählt Janet Krutzki. Doch dieses Jahr ist alles anders. Es muss eben alles eine Nummer kleiner sein, man hält Abstand und trägt Maske.

„Wir sind voller Energie – so wie die Sonne“, so interpretiert sie das Symbol des Tages. Es sei wichtig, auch in schweren Zeiten nicht zu verzagen. Trübsinn ist einfach nicht ihr Ding. Obwohl es auch dem Tagesmutter-Doppel zunehmend schwerer fällt, die insgesamt 10 Plätze immer voll besetzt zu halten. Gerade in der Corona-Zeit zögerten viele Eltern angesichts der vielen Öffnungen und Schließungen: Wieso erst eingewöhnen, wenn dann doch alles anders kommt?

Umso wichtiger ist es, heute Farbe zu bekennen: „Die Kindertagespflege ist wertvoll!“ Ein bisschen mehr Lobby, ein bisschen mehr Bewusstsein für die täglichen Leistungen der Tagesmütter wären nicht schlecht. Auch eine Geldfortzahlung bei Krankheit sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Plötzlich pustet ein kräftiger Wind einige Wolken vor sich her. Doch an der IKS-Postkarten-Aktion, gewissenhaft an dutzende Luftballons geschnürt, kann die gelbe Meute niemand hindern! Voller Stolz lassen die Kleinen die Ballons in die Lüfte steigen. Die Botschaften werden voller Hoffnung in alle Welt getragen. Nein, Trübsinn ist wirklich nicht ihr Ding!  

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Action in Gelb: mit Löwenzahn und viel Farbe!
Fotos: Sylvia Zabel-Thäder

Es ist wichtig, dass die Kindertagespflege einen guten Blick bekommt!
Sylvia Zabel-Thäder


  „Wir Tageseltern sind Möglichmacher“, findet Sylvia Zabel-Thäder. Sie arbeitet in einer angemieteten Wohnung im Leipziger Stadtteil Reudnitz. Ja, Corona habe die Arbeit verändert und erfordert einiges Umdenken. Das wirkt sich natürlich auch auf die privaten Zeitressourcen aus. Was früher während der Übergabe besprochen wurde, wird nun auf den Feierabend am Telefon verlegt.

Auch die Übergabe von Eingewöhnungskindern sei wegen des Betretungsverbots manchmal schwierig. Und Stichwort Notbetreuung: „Bei mir haben vier von fünf Kindern systemrelevante Eltern. Da denke ich oft: Dieses eine Kind ginge nun wirklich auch noch!“

Zum Aktionstag nutzt sie den gelben Löwenzahn, um damit Dekorationen zu gestalten oder eine Kräuterbutter herzustellen. Im Garten wird kräftig gebastelt, gematscht und getobt. Und: Ihre süße Truppe übt seit einigen Tagen das „Sonnenblumenlied“. Die Farbe Gelb zieht sich heute durch den ganzen Tag und wird auch durch Leipzig getragen. Für Sylvia Zabel-Thäder ist die Strahlkraft der Sonne ein wunderbares Bild.

„Es ist wichtig, dass die Kindertagespflege einen guten Blick bekommt“, denn einerseits nutzen und schätzen viele Eltern die familiennahe Betreuungsform. Doch es gibt noch so viele, die sie nicht einmal kennen. Ein guter Blick, der sei auch nötig für die fordernde, tägliche Arbeit. Denn gerade jetzt sind die Kindertagespflegepersonen einer hohen Infektionsgefahr ausgesetzt – und im Krankheitsfall gibt es nur Geld für sieben Tage. „Dieser Beruf geht eben nicht ohne eine dicke Portion Privatinitiative“, sagt Sylvia Zabel-Thäder. Es stimmt: Tageseltern sind Möglichmacher!





autorDer Autor:

Sebastian Steger
Storymanufaktur + Medienlehre
www.sebastian-steger.de

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